HASSFURT / GÜNZBURG – Benkert, der ausgebildeter Notfallsanitäter ist und sich ehrenamtlich bei der Ortsgruppe Haßfurt der BRK-Wasserwacht im Landkreis Haßberge engagiert, ist einer von insgesamt 50 Air-Rescue-Spezialisten der Wasserwacht in Bayern. Mit Klaus-Dieter Hönig gibt es im BRK-Kreisverband Haßberge noch einen zweiten.
Es sind wirkliche Spezialisten mit einer besonderen Ausbildung: Wenn es ihren Kollegen nicht mehr möglich ist, Menschen beispielsweise mithilfe von Fahrzeugen oder Booten aus überfluteten Gebieten oder Häusern zu retten, dann sind die Männer und Frauen mit ihrer Spezialausbildung gefragt. Sie können sich von Hubschraubern per Rettungswinde aus der Luft zu den Betroffenen abseilen, sie sichern und anschließend mit der Winde zum Helikopter nach oben winschen, um sie anschließend aus der Gefahr auszufliegen. Für die Geretteten, die dann an der Winde hängen, bleibt ihr ganzes Hab und Gut unter ihnen zurück. Sie wissen nicht, wann sie wieder zurück in ihre Häuser können bzw. wie hoch das Ausmaß der Zerstörung dort ist, wenn sie zurückkehren.
„Das ist schon ein dramatisches Bild, wenn solche Wassermassen durch Siedlungen schwappen“, sagt Matthias Benkert, der gemeinsam mit seinen Kollegen an drei Einsatztagen insgesamt zwölf Menschen aus höchster Not auf dem Luftweg gerettet hat, darunter auch ein zwei Jahre altes Mädchen und ein erst eine Woche altes Baby. Die Hochwasser-Situation Anfang Juni in Bayern ist nach seinen Worten nicht mit der Flut im Ahrtal von vor zwei Jahren zu vergleichen. In Bayern gab es keine Sturzfluten, die ganze Häuser mitgerissen haben. Dafür wurden aber ganze Landstriche überspült. Was das bedeutet, beschreibt der Haßfurter an einem Beispiel: „Wir haben im Landkreis Günzburg einen Traktor gesehen, von dem nur noch das Dach aus dem Wasser ragte.“
Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang (6:30 bis 21:00 Uhr) waren Matthias Benkert und seine beiden Kollegen Philipp Nützel aus Ebermannstadt und Stefan Mendl aus Nürnberg während ihrer Einsatztage in Bereitschaft. Von Roth aus, einem Standort der Polizeihubschrauberstaffel der Bayerischen Polizei, starteten sie zu ihren Einsätzen.
Bereits auf der Anfahrt am Sonntag (2. Juni) nach Roth wurden die Luftretter von einem Disponenten der Hubschrauberstaffel angerufen, wo aktuell ihr Standort sei und wie lange sie noch bis zum Hangar brauchen würden, da bereits ein Einsatz aufgelaufen war. „Wir hatten noch 15 Minuten Fahrt bis zum Hangar und vereinbart, dass wir anfahren und nicht irgendwo unterwegs aufgenommen werden“, berichtet Matthias Benkert. Bei Ankunft am Hangar war der Hubschrauber bereits startklar. „Wir haben uns umgezogen und sind dann direkt losgeflogen.“
Es geht um Menschenleben. Dieser erste Einsatz führt die Air-Rescue-Spezialisten zu einer Vermisstensuche bei Offingen (Landkreis Günzburg). Dort war in der Nacht ein Boot mit fünf Insassen gekentert, darunter zwei Feuerwehrmännern. „Vier Insassen konnten sich auf eine Insel retten, ein Feuerwehrmann war vermisst“, schildert Benkert. Der Auftrag der Crew bestand darin, das Gebiet nach dem Feuerwehr-Kollegen aus der Luft abzusuchen. „Wir saßen dazu in den beidseits geöffneten Türen des Polizeihubschraubers und haben das überschwemmte Waldgebiet von Offingen bis zum nächsten Wehr unterhalb in der Donau abgesucht.“ Die Suche blieb leider erfolglos.
„Person auf dem Dach“ lautete der zweite Einsatzauftrag. Hier waren letztendlich vier Personen von einem Hausdach in Günzburg zu retten, die von dem schnell steigenden Wasser eingeschlossen wurden. Sie wurden mit dem Hubschrauber unter Hilfe der Seilwinde gerettet.
Die Einsätze Nr. 3 und 4 erfolgten zeitgleich. Hier mussten in Günzburg drei Personen von einem Balkon evakuiert werden. „Ich wurde auf dem Balkon in der Nachbarschaft abgesetzt“, berichtet der 39-Jährige. Dort stand ein Mann mit einem Jugendlichen auf dem Balkon. Im Inneren des Gebäudes haben sich noch eine Mutter mit einer zweijährigen Tochter und einem eine Woche alten Baby befunden. Alle wurden mithilfe der Seilwinde und unter Betreuung des Wasserwacht-Spezialisten sicher zum Polizeihubschrauber hochgewinscht und ausgeflogen. Dabei kam erstmals auch ein erst kürzlich angeschaffter Rettungssack für Kinder und Säuglinge zum Einsatz.
„Viele können einen Notruf noch per Handy absetzen“, erklärt Benkerts Kollege Philipp Nützel. Wenn das Handynetz zusammenbricht, hängen einige, die in ihren Häusern eingeschlossen sind, ein weißes Tuch nach draußen. „Wenn wir das sehen, fliegen wir das Haus an.“ Dann kann die Rettung aus der Luft starten.
Im weiteren Verlauf wurde das Luftrettungsteam noch zu mehreren Vermisstensuchen und Personen in Wassernot angefordert. Ebenfalls gehörten Erkundungsflüge zum Einsatzspektrum, um festzustellen, wie und wo das Wasser über Deiche strömt.
Der zweite Tag begann mit einem Einsatzauftrag in Regensburg. Dort wurde durch Wasserwachtler einer der Bootsstege oberhalb der Steinernen Brücke gesichert. Haltestahlseile hatten sich dabei gelöst und der Steg drohte abzureißen. „Der Hubschrauber war hier zur Absicherung für möglicherweise ins Wasser stürzende Wasserwacht-Kollegen im Einsatz“, berichtet Benkert. Eine Absicherung der Kollegen mithilfe von Booten war wegen Baumstämmen, Treibgut und die massive Strömung nicht möglich. Auch am zweiten Tag wurde das Team zudem zu diversen Suchen mitalarmiert und hat Erkundungen aus der Luft durchgeführt.
Der dritte Tag startete nach Schilderung von Matthias Benkert mit dem Einsatzstichwort "Person im Wasser" in der Donau oberhalb von Grundremmingen. Das stellte sich allerdings als Plane im Wasser heraus.
Bei einem weiteren Einsatz war die Situation weitaus dramatischer: Die Polizei meldete eine Person, die regungslos im Gestrüpp hing. „Es war schnell klar, dass es eine leblose Person war“, sagt Benkert. „Da in dem Gebiet neben dem vermissten Feuerwehrmann noch eine ältere Dame vermisst wurde und wir vor Ort waren, haben wir das Gebiet überflogen. Es wurde dann aber gemeldet, dass die Rettung der Person mit einer Drehleiter funktioniert. Deshalb konnten wir den Einsatz abbrechen.“
Die Dankbarkeit ist bei den Geretteten groß. Das bekommen die Retter immer wieder gesagt, die bei ihrem ehrenamtlichen Einsatz selbst Gesundheit und das eigene Leben aufs Spiel setzen, um Mitmenschen in höchster Not zu helfen. Dieses Dankeschön ist für die Ehrenamtlichen höchste Motivation.
Wenn Matthias Benkert über die Einsatztage spricht, die er zusammen mit seinen beiden Kollegen Philipp und Stefan erlebt hat, spürt man den Stolz bei dem 39-Jährigen aus Haßfurt: „Ich bin stolz, dem Team der hubschraubergestützten Wasserrettung (HgWR) anzugehören, wir sind eine starke und schlagkräftige Truppe.“ Sie haben mehrere Evakuierungen geflogen und waren ständig bereit, Personen aus dem Wasser herauszuziehen. „Hätten wir die Menschen nicht evakuiert, wären sie noch längere Zeit in ihren überfluteten Häusern gefangen gewesen“, sagt Benkert. Eine Rettung mit dem Boot sei bei all den Winsch-Vorgängen nicht mehr möglich gewesen. „Nach uns als Air-Rescue-Spezialisten kommt keiner mehr! Wir sind die letzte Möglichkeit für die Geretteten gewesen.“
Aus dem BRK-Kreisverband Haßberge war im Rahmen der überörtlichen Hilfe auch ein ehrenamtliches Team der Schnelleinsatzgruppe (SEG) Verpflegung im Einsatz. Matthias Lang, Tanja Lang, Barbara Geißler, Alexander Wittig und Sebastian Geißler waren mit ihrer Feldküche von Sonntag, 2. Juni, bis Donnerstag, 6. Juni, im Raum Günzburg im Einsatz. Ihr Auftrag bestand darin, in Gemeinschaftsunterkünften Bewohner aus evakuierten Überschwemmungsgebieten mit Mahlzeiten zu verpflegen, ebenso Einsatzkräfte vor Ort. Rund 5000 Mahlzeiten haben die Helfer an den Tagen gekocht und ausgegeben, wie Sebastian Geißler berichtet.
Nach ihrer Rückkunft wurden die ehrenamtlichen Einsatzkräfte von BRK-Kreisgeschäftsführerin Carina Küfner und Ingrid Böllner, Leiterin der Servicestelle Ehrenamt, zuhause willkommen geheißen. Küfner dankte den Helferinnen und Helfern für ihren aufopferungsvollen Einsatz im Hochwassergebiet. „Wir sind stolz auf unsere Einsatzkräfte, die zu jeder Zeit für Mitmenschen in Not bereitstehen und den Rotkreuz-Gedanken mit hohem persönlichen Einsatz leben.“
Autor: Michael Will / BRK